Friends Don’t Let Friends Become Burschis

Zu Beginn des Studiums locken sie mit verführerischem Angebot: Sie bieten günstigen Wohnraum an, meist in zentraler Lage, und locken mit Freundschaften und kulturellem Bildungsangebot. Sie geben sich meist unpolitisch und traditionsbewusst. Die Rede ist von Verbindungen, einem Überbegriff für Burschenschaften, Corps, Turnerschaften und sonstige studentische Verbindungen.

Aber Verbindungen sind keine normale Studigruppe und auch kein normales Wohnheim. Die meisten stehen in einer Tradition, geprägt von Antisemitismus, Nationalismus und Militarismus. Nicht nur in Heidelberg waren einige Verbindungen an den Bücherverbrennungen 1933 maßgeblich beteiligt. Die wenigsten unter ihnen tun etwas dafür, diese Vergangenheit aufzuarbeiten und sich davon zu distanzieren.

Verbindungen sind geprägt von starken Hierarchien: Ganz unten stehen die Füchse (Neumitglieder), darüber die Burschen (studentische Mitglieder) und an der Spitze die Alten Herren (Berufstätige Mitglieder). Das ganze Weltbild, das in Verbindungen gelebt und vermittelt wird, erzieht somit zu Hierarchie- und Obrigkeitshörigkeit. Der Wille, später selbst an der Spitze der Hierarchie zu stehen und nach unten treten zu können, wird von jungen Burschen oftmals formuliert. Passt dieses Denken für euch zu einer freien und gerechten Gesellschaft?

In den Führungspositionen von Wirtschaft, Wissenschaft oder Politik sitzen überdurchschnittlich viele Mitglieder von Verbindungen. Dort haben sie vielfältige Möglichkeiten ihre Macht zu missbrauchen. Auch dadurch sorgen sie dafür, dass dieses rechte Gedankengut in der Gesellschaft verankert bleibt. Darüber hinaus haben sie im Blick, dass die Führungspositionen stets von ihren „Bundesbrüdern“ besetzt werden. Findet ihr diese Vetternwirtschaft demokratisch?

So gut wie alle Verbindungen sind Männern vorbehalten. Es werden antiquierte Rollenbilder gelebt und aggressiv propagiert. Die „Damen“ werden keineswegs als ebenbürtig angesehen, sie sind entweder ein reines Sexobjekt oder potentielle Ehegattinnen, die als schmückendes Beiwerk dienen. Das Männerbild reproduziert eine patriarchale Vorstellung von Männlichkeit, basierend auf Macht und Dominanz, Ehre und Leistungsprinzip. All das gipfelt in pflichtschlagenden Verbindungen, in denen erst ein prächtiger Schmiss (Narbe im Gesicht vom Fechten) die Mitglieder zu vollen Männern macht.

Verbindungen erfüllen auch immer wieder eine Art Scharnierfunktion an der Grenze von konservativ-bürgerlichem Milieu und offen neofaschistischen Lebenswelten. Ein Beispiel dafür ist die Einführung des „Arierparagraphen“ der Deutschen Burschenschaft 2011. Rechtes Gedankengut wird so durch Verbindungen salonfähig gemacht.

Deshalb sagen wir: Friends dont let friends become Burschis! Denn wer will seine Freunde schon an Sexisten, Nationalisten und Rassisten verlieren?

Weitere Infos findet ihr den (teilweise veralteten) Broschüren über studentische Verbindungen in Heidelberg:

Ausgewählte Presseartikel und Texte zu Burschenschaften (bundesweit) der letzten Jahre

Zum Schluss noch ein Beispiel: Ein Auszug aus einem Einladungstext einer Burschenschaft für eine Party:
“Bist Du hässlich, fett, krank oder fremd im Lande, bist Du von Sorgenfalten, Weltschmerz oder linksliberaler Gesinnung gepeinigt, trägst Du alternative oder Schickimicki-Kleidung – oder gar einen Ring im Ohr, studierst Du Publizistik, Pädagogik oder Theologie oder gar nicht, hast Du den Wehrdienst verweigert oder eine Freundin mit, die weder schön noch still ist, dann bleib lieber zu Hause. Du würdest sowieso nicht eingelassen werden.”

Zitiert nach Beyer, Anke u.a.:“…und er muss deutsch sein…“ Geschichte und Gegenwart der studentischen Verbindungen in Hamburg, Hamburg 2000.

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