Redebeitrag zum 8.März: Die kurdische Frauenrevolution verteidigen!

Liebe Feminist*innen, liebe Passant*innen,
wir wollen heute über die einzige feministische Revolution der Welt reden, die so erfolgreich ist, dass sie eine Gesellschaft mit einem feministischen Gesellschaftsvertrag aufbauen konnte, die so erfolgreich ist, dass sie sich seit nunmehr 10 Jahren gegen die Waffen der NATO und den Terror des IS verteidigen kann; und die so erfolgreich ist, dass sie von faschistoiden Antifeministen wie Erdogan als Bedrohung der bestehenden patriarchalen und kapitalistischen Ordnung angesehen wird. Wir wollen über Rojava reden.
Denn über Rojava wird viel zu wenig geredet und berichtet. Die Revolution wird in Deutschland unsichtbar gemacht und das, obwohl hier die größte kurdische Diaspora in ganz Europa lebt, obwohl Deutschland so viel Verantwortung an diesem Krieg trägt. Vielleicht sollten wir hierbei nicht das Wort „obwohl“, sondern eher das Wort „weil“ benutzen. Die feministische Revolution in Rojava wird unsichtbar gemacht, weil Deutschland so viel Verantwortung am Krieg gegen diese trägt. Die Türkei ist Deutschlands größter Waffenkunde, 1/3 aller deutschen Waffenexporte gehen jährlich an die Türkei. Natürlich ist es ziemlich schwierig, über die feministische, ökologische und basisdemokratische Revolution in Nordostsyrien zu berichten und dann im nächsten Atemzug Rückhalt in der Gesellschaft dafür zu erwarten, dass man Erdogan mit Waffen versorgt, um eben diesen Gesellschaftsaufbau systematisch zu vernichten. Zudem ist heute eindeutig bewiesen, dass Erdogan mit dem IS zusammen arbeitet, um Rojava zu bekriegen. Dabei ist der fundamentalistische IS Erdogans natürlicher Bündnispartner, denn insbesondere die Erfolge hinsichtlich der Frauenbefreiung und die säkulare Haltung Rojavas sind mit dem Fundamentalismus des IS unvereinbar. Noch schwieriger für deutsche Regierungen als Zusammenarbeit mit Erdogan zu rechtfertigen, ist es wohl, indirekte Zusammenarbeit mit dem IS zu rechtfertigen.
Zwar könnte diese Aufzählung an unfassbarer Doppelmoral ewig so weitergehen, doch wollen wir den Raum hier mehr nutzen, um über Rojava zu sprechen: Was waren die wichtigsten Etappen der Revolution bisher? Und wie ist gerade der Stand um Erdogans Krieg gegen Rojava?
Rojava ist eine autonome Region im Nordosten von Syrien, in der sich die dort lebenden Menschen basisdemokratisch organisieren. Hier leben etwa 2 Millionen Menschen, zur Zeit noch einmal knapp die gleiche Anzahl an syrischen Bürgerkriegsgeflüchteten. Mit Beginn des syrischen Aufstands 2011 wurden dort Jahre zuvor vorbereitete politische und soziale Strukturen gebildet, die eine Selbstverwaltung in politischer, wirtschaftlicher und auch militärischer Hinsicht ermöglichen.
Im Januar 2014 schlossen sich die Gebiete, die heute Rojava bilden, in einer Föderation zusammen und gaben sich eine gemeinsame politische Verfassung: den Demokratischen Konföderalismus. Kurz darauf wurde diese Verfassung schriftlich verabschiedet durch den sogenannten ›Gesellschaftsvertrag‹, der Frieden, Freiheit, Menschenwürde, Feminismus, Ökologie und Demokratie garantiert und die Bürger*innen vor Nationalismus, Militarismus und religiösem Fundamentalismus schützt. Dabei versteht sich der Feminismus und Rojava als radikal und wehrhaft, wie aus dem Selbstverständnis der Frauenbewegung deutlich wird. Dazu wollen wir Dilar Dirik, kurdische Widerstandskämpferin, zitieren: „In einer Ära, in der alle Arten der Zerstörung der Frau als systematische Kriegsmittel benutzt werden – von häuslicher Gewalt bis zur modernen Sexsklaverei – ist die Notwendigkeit eines neuen Verständnisses von Selbstverteidigung unumgänglich. Selbstverteidigung ist die einzige Form des Überlebens. Doch vor allem in einem Zeitalter, in dem direkte physische Gewalt ein ideologischer Angriff auf die Gesellschaft ist, ist es notwendig, Selbstverteidigung auf alle Dimensionen des Lebens zu erweitern. Wenn die dominante Geschichtsschreibung alles in ihrer Macht stehende tut, um moderne Genozide und Vernichtungsstrategien zu rechtfertigen, muss Selbstverteidigung eine Neuinterpretation der Geschichte aus weiblicher Sicht umfassen.” Die Wichtigkeit des Schutzes, den diese Konföderation versucht zu garantieren, zeigte sich wenige Monate später, als der IS begann, einen Genozid an Ezidinnen im Nordirak zu begehen. Es waren die Streitkräfte der YPJ und YPG, die sich dem IS im Şengal in den Weg stellten und ein noch schlimmeres Ausmaß dieser Vebrechen gegen die Menschlichkeit verhinderten.
Bis 2018 gelang es den Militärtruppen der demokratischen Kräfte Syriens zusammen mit den feministischen Kämpferinnen der YPJ, die Soldaten des Assad-Regimes und IS-Milizen erfolgreich aus ihrem Gebiet zu vertreiben. Damit hatten sich die in der Region Rojava lebenden Volksgruppen von der Fremdherrschaft befreit und demokratischen Prinzipien folgend, mit dem Aufbau einer freiheitlichen und friedlichen Gesellschaft begonnen.
2018 aber begann der Überfall der türkischen Streitkräfte und verbündeter Islamistenmilizen auf Teile von Rojava. Dieser völkerrechtswidrige Angriffskrieg des NATO-Staats Türkei dauert bis heute an und wird bis heute aus deutschen Steuergeldern mitfinanziert.
Erst Anfang Februar diesen Jahres gab es Luftangriffe der türkischen Armee auf Şengal, Mexmûr und Rojava, bei denen mindestens neun Menschen ums Leben kamen.
Die türkische Armee setzt ihre Angriffe auf Nord- und Ostsyrien jeden Tag fort. Die Angriffe widersprechen weiterhin sowohl dem Völkerrecht, als auch dem von den USA und Russland garantierten Waffenstillstandsabkommen. Und auch hier sind es wieder die feministischen Widerstandskämpferinnen der YPJ, zusammen mit ihren Genossen der YPG und den syrischen demokratischen Kräften, die in diesem Krieg die Rechte von Frauen und queeren Menschen schützen. Die sowieso schon dramatische Anzahl an gezielten Femiziden in den kurdischen Gebieten durch den IS und Erdogan wäre ohne die Selbstverteidigung der YPJ bedeutend höher. Diese Femizide sind keine Einzelfälle, sondern haben Struktur: nicht nur in den kurdischen Gebieten und in der Türkei, sondern auch in Deutschland und Frankreich begehen Anhänger des türkischen Faschismus ungehindert Femizide. So jährt sich dieses Jahr beispielsweise der unaufgeklärte Mord an Fidan Dogan, Sakine Cansiz und Leyla Saylemez zum neunten Mal. Ihre Gesichter könnt ihr auf diesem Transparent sehen.
Diese wurden brutal vom türkischen Geheimdienst in Paris getötet – auch dies ohne großen Aufschrei europäischer Regierungsvertreter*innen. Obwohl solche Femizide und militärische Angriffe fast täglich erfolgen, hat es bisher keinerlei offizielle Stellungnahme von anderen NATO-Staaten gegeben. Dieses Muster an vertuschender Regierungspolitik zugunsten des Waffenkapitals hat die grüne Außenministerin Baerbock erst vor wenigen Wochen weitergeführt, als sie die erneuten Bombardierungen von kurdischen Gebieten durch die Türkei mit keinem Wort kommentierte, nachdem sie noch im Herbst ankündigte, eine „feministische“ Außenpolitik führen zu wollen. Damit schließt sie sich an eine lange Reihe des Schweigens deutscher Regierungsvertreter*innen an.
Im Schatten des Ukraine-Krieges bombardiert Erdogan mit der NATO im Rücken weiterhin täglich Städte und Dörfer in Nordsyrien mit Kampfbombern, Kampf-Drohnen und Artillerie. Täglich werden Häuser von Zivilist*innen zerstört, sterben unschuldige Menschen. Immer wieder dreht der türkische Faschismus den Menschen der Region das Wasser ab. Deswegen fliehen auch von dort die Menschen – beispielsweise in den Nordirak, wo sie erneut türkischen Drohnenangriffen ausgesetzt sind. Von dort versuchen sie dann auf oft lebensgefährlichen Wegen nach Europa zu kommen. Während in den vergangenen Wochen und auch jetzt mehrere EU-Länder flüchtende Menschen aus der Ukraine ohne großes Zögern aufgenommen haben und ihnen schnelle und unbürokratische Hilfe entgegengebracht wurde, erinnern wir an die Geflüchteten an der belarussisch-polnischen Grenze, unter denen viele Familien sind, die vor Erdogans Kampf–Drohnen geflohen sind. Sie harren noch immer bei Minusgraden in den Wäldern im Niemandsland aus und dürfen nicht nach Polen einreisen. Es gibt dort zahlreiche Kältetote: vor allem Frauen und Kinder. Wo ist die große Bereitschaft der deutschen, der europäischen Bevölkerung diesen Menschen zu helfen, wie sie es gerade bereitwillig für die geflüchteten Menschen aus der Ukraine tun? Der Umgang mit der Aktuellen Fluchtbewegung aus der Ukraine zeigt, dass es sichere Fluchtrouten und eine unkomplizierte Aufnahme von Geflüchteten in Europa geben kann und dass den Menschen, die aus Kriegsgebieten fliehen müssen ein Recht auf Asyl zusteht. Warum nicht immer so? Warum wird zwischen den Schutzsuchenden differenziert? Wird ein Angriffskrieg, der darauf zielt, Nachbarländer zu annektieren, weniger verwerflich, wenn ihn ein NATO-Land führt? Es darf keine Geflüchteten 1. und 2. Klasse geben. Geflüchtete müssen, wie jetzt im Falle der Ukrainerinnen, schnelle und unbürokratische Hilfe bekommen – egal ob sie vor Erdogans oder Putins Bomben fliehen. Während Deutschlands Außenministerin Baerbock klare Worte gegen Putins Regierung (Russische Regierung) findet, bleibt diese Entschiedenheit gegenüber dem Mit-NATO-Staat Türkei bedauernswerter weise aus. Anstatt Forderungen nach einem Angriffstopp der türkischen Truppen und Luftwaffe in Nordsyrien zu stellen, bedankt sich Baerbock beim türkischen Außenminister für die „starke deutsch-türkische Partnerschaft“. Und das von der Außenministerin, die eine „feministische Außenpolitik“ betreiben will? Was ist feministisch an der unkommentierten, der ungehinderten Bombardierung Rojavas?
Im Gegensatz zum grünen Feminismus von Baerbock ist unser Feminismus international und antikapitalistisch, deshalb fordern wir:

  • ein sofortiges Ende von Waffenlieferungen an die Türkei.
  • Wir fordern den Abzug des türkischen Militärs aus Nordsyrien, sowie eine Flugverbotszone für türkische Kampfflugzeuge über Nordsyrien.
  • Wir fordern das sofortige Aufheben des PKK-Verbots und ein Ende der Kriminalisierung und Abschiebung kurdischer Aktivist*innen in und aus Deutschland.
  • Wir fordern von euch, euch aktiv zu informieren und Aufmerksamkeit für die feministische Revolution in Rojava zu schaffen.
  • Wir fordern praktische Solidarität mit den Menschen in Rojava durch finanzielle und anderweitige Unterstützung.
  • Wir fordern angemessene Konsequenzen für Erdogan für seine zahlreichen Brüche mit dem internationalen und Menschenrecht.
  • Wir fordern die sofortige Freilassung von Abdullah Öcalan.
  • Wir fordern die sofortige und unbürokratische Aufnahme von Geflüchteten aus Kriegsgebieten aller Welt.
    Lasst uns gemeinsam für den Feminismus kämpfen – in Rojava und überall: Denn wie Öcalan sagt, eine Gesellschaft kann nicht frei sein, wenn die Frauen nicht frei sind. Lasst uns Erdogan, dem IS und allen anderen patriarchalen Institutionen zeigen: Der Feminismus lebt überall, wo wir sind, weit über Rojava hinaus und das lässt sich nicht verhindern

[Repost] MA: Demo “Solidarität mit Rojava!”

[Repost]

Demonstration Samstag, 26. Oktober, 14 Uhr: Auftakt Schloss Mannheim Ehrenhof ca. 15.30 Uhr: Schlusskundgebung Alter Messplatz

Aufruf der Bündnisdemonstration “Stoppt den türkischen Angriffskrieg in Nordsyrien! Solidarität mit Rojava!”:

Am 9. Oktober hat die Türkei erneut einen Angriffskrieg in und gegen Syrien begonnen. Ihr erklärtes Ziel ist die dauerhafte Besetzung der Region Rojava in Nordsyrien, in der überwiegend Kurd*innen, aber auch Araber*innen, Aramäer*innen und Syrer*innen friedlich zusammen gelebt haben, sei es muslimischen, jesidischen oder christlichen Glaubens. Die Türkei will die Zerschlagung der dort aufgebauten demokratischen Strukturen.

Dieser Überfall ist ein offener Verstoß eines NATO Staates gegen das Völkerrecht. Er führt zu einer neuerlichen Eskalation der Situation in Syrien, zu zahllosen Todesopfern und neuen Fluchtbewegungen. Der Angriffskrieg der Türkei zielt auf eine ethnische und religiöse Säuberung und auf die Vertreibung hunderttausender Menschen, die bis vor dem Angriff in Schutz und Sicherheit leben konnten. Mit der Vertreibung bezweckt die Türkei strategisch die Ansiedlung von zwei Millionen arabischer Muslim*innen und die Übergabe der Kontrolle der Region an islamistische Einheiten.

Der Angriffskrieg droht zu einem Pulverfass zu werden, das zu unübersehbaren Folgen für die gesamte Region, ja auch für Europa und die Welt führen kann. Der Krieg muss deshalb sofort gestoppt werden. Die türkischen Truppen müssen sich auf türkisches Territorium zurückziehen.

Die demokratische Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien benötigt eine Schutzgarantie der Vereinten Nationen, um vor Angriffen geschützt zu sein.

Wir fordern von der Bundesregierung, Waffenlieferungen und jede militärische Zusammenarbeit mit der Türkei sofort einzustellen und alle politischen Mittel auszuschöpfen, um den Krieg der Türkei zu stoppen und die Besetzung Nordsyriens zu verhindern.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nein zum Krieg des türkischen Regimes! Solidarität mit Afrin!

Das Bündnis “Nein zum KriegSolidarität mit Afrin” ruft am Samstag 14. April erneut zur Demonstration auf. Die Demo startet um 13 Uhr am Ehrenhof Schloss Mannheim unter dem Motto „Nein zum Krieg des türkischen Regimes! – Rückzug der türkischen Streitkräfte aus den kurdischen Gebieten in Nordsyrien – Stoppt die Waffenexporte in die Türkei – Solidarität mit Afrin!“

Den vollen Aufruf zur Demo könnt ihr hier lesen.

Wir sehen uns auf der Straße!

 

Samstag, 14. April 2018

Auftakt: 13.00 Uhr Ehrenhof Schloss Mannheim

Abschluss: Alter Messplatz

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