Redebeitrag zum Safe-Abortion-Day 2023

Liebe Genoss*innen, Freundinnen und Freunde, liebe Zuhörer*innen,

ich zitiere: „Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ So lautet auch 2023 noch der Beginn des Paragraphs 218 im deutschen Strafgesetzbuch.

Wie viele Feminist*innen vor uns, und neben vielen – durch andere Paragraphen –  entrechten Schwestern weltweit, sagen wir:

Es ist an der Zeit, diese jahrhundertealte patriarchale Gesetzgebung abzuschaffen!

Auch wollen wir an all die denken, die dem Verbot der Abtreibung zum Opfer gefallen sind:

Sei es durch Komplikationen aufgrund falsch durchgeführter Abbrüche oder wegen Verletzungen durch unsichere und gefährliche Methoden und Umstände.

Auch denken wollen wir an die, die sich in der Verzweiflung aufgrund einer unerwünschten und fremdbestimmten Schwangerschaft entschieden haben, nicht mehr unter uns sein zu können.

In von Männern dominierten Gesellschaften, bei uns aber auch anderswo, wird Frauen systematisch Gewalt angetan. Immer geht es darum, Frauen in ihrem Leben einzuschränken, ihnen ihre Selbstbestimmung zu nehmen.

Und Warum? Weil freie Frauen gefährlich sind. Sie sind gefährlich für die Macht- und Herrschaftsansprüche von Männern. Die Kontrolle über den Körper von Frauen war schon immer ein Herrschaftsinstrument – das reicht von den mittelalterlichen Hexenverfolgungen über die Gesetze, die Frauen lange Zeit in private Haushalte verbannten, bis zum Verbot von Abtreibungen, das bis heute in vielen Ländern gilt.

Verbote führen nicht zu weniger Abtreibungen. Abtreibungen hat es immer gegeben, und es wird sie immer geben. Sie zu verbieten hat Folgen für die Betroffenen: Für den Eingriff ins Ausland zu reisen ist teuer und aufwendig. Wenn Ärzt*innen trotz Verbots Abtreibungen durchführen, gehen sie ein hohes Risiko ein.

Und es steigt die Gefahr von Komplikationen, wenn Schwangere unter Druck selbst abtreiben. Der Drahtkleiderbügel ist hierfür ein schmerzliches Symbol: Ihn sich selbst einzuführen ist eine gefährliche Methode, die Frauen immer wieder angewandt haben, um selbst abzutreiben.

Die polnische feministische Aktivistin Karolina Więckiewicz [Witz-keh-witsch] sagt:

Eine Person, die nicht schwanger sein will, dazu zu zwingen, schwanger zu bleiben, ist Folter. Wer Abtreibungen verbietet, nimmt bewusst in Kauf, dass Frauen körperlich und psychisch leiden. Sie nehmen in Kauf, dass Frauen im Extremfall sterben. Wer Abtreibungen verbietet, tut Frauen systematisch Gewalt an!

Darum sagen wir heute, am Safe Abortion Day: Es muss endlich Schluss sein damit! Unsere Körper gehören uns. Darüber, ob eine Schwangerschaft beendet wird, entscheidet die Schwangere selbst – kein religiöser Vertreter und kein Staat hat sich da einzumischen!

Jede dritte Frau macht in ihrem Leben die Erfahrung, ungewollt schwanger zu werden. Fast jede von uns kennt die Angst davor. Immer noch müssen Frauen die Kosten für einen Abbruch selbst übernehmen oder im Fall von Armut die Kosten durch aufwändige Anträge erstatten lassen. In der anstrengenden Situation einer ungewollten Schwangerschaft legt unser System Frauen systematisch zusätzlichen Mental Load in den Weg und macht es für sie unnötig schwer.

Wir fordern Reproduktive Gerechtigkeit für alle!

Das heißt auch, dass wir Fragen rund ums Kinderkriegen und Mutter- oder Elternschaft nicht als rein individuelle Entscheidungen betrachten, sondern immer auch die politischen und sozialen Rahmenbedingungen mitdenken müssen. Es wird sich nicht im luftleeren Raum für oder gegen Mutterschaft oder Elternschaft entschieden!

Daher fordern wir die Schaffung von ökonomischen Bedingungen, unter denen alle Menschen die freie Entscheidung zu einer Elternschaft haben, unabhängig von ihrer finanziellen Lage. Umverteilung jetzt!

Zu dieser Umverteilung gehört die Reproduktionsarbeit in unserer Gesellschaft:

Das Füreinander-Sorgen muss endlich als gesamtgesellschaftliche und wesentliche Aufgabe anerkannt und ausgestaltet werden. Das bedeutet eine kollektive und solidarische Organisierung von Care- und Sorgearbeit.

Reproduktive Gerechtigkeit zu fordern, bedeutet auch dagegen zu kämpfen, dass behinderten Menschen die Entscheidung zur Schwangerschaft oder Elternschaft vielerorts immer noch verwehrt wird!

Wir fordern selbstredend die Abschaffung des Paragraphen 218.

Wir fordern die uneingeschränkte Möglichkeit, sich gegen eine Schwangerschaft entscheiden zu können, durch sichere kostenlose Verhütungsmittel. Durch legale, flächendeckende und kostenfreie Abtreibungsmöglichkeiten für alle.

Wir fordern das Recht, schwanger zu werden und in sicheren und selbst gewählten Umständen zu gebären.

Wir fordern einen niederschwelligen Zugang zu gesundheitlicher Vorsorge und Aufklärung. Die Angebote müssen frei zugänglich sein und selbstbestimmt gewählt werden können!

Wir kämpfen gemeinsam nicht nur für ein paar Verbesserungen für wenige, sondern für ein gutes und selbstbestimmtes Leben für alle!

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